Samstag, 4. Dezember 2010

The Pains Of Being Pure At Heart als postmoderne Comedians?

Hach, ich mache mir Sorgen um The Pains Of Being Pure At Heart. Ich habe diese Band von Anfang an heiß geliebt, war in sie verknallt wie selten in eine Gruppe und habe der ersten Platte entgegengefiebert. Und war nicht enttäuscht, daß die Band nur zwei Lieder hatte. Alles habe ich ihr durchgehen lassen. Alles fand ich toll. Und als sie dann in Hamburg gespielt haben, war mir klar: dies war keines ihrer besten Konzerte. Und trotzdem habe ich auch das geliebt und gefeiert.


Und ich habe weitergefiebert. What's next? Es war so aufregend. Und dann kam die "Higher Than The Stars"-EP mit "103", "schon wieder dies Stück". Es klang genau wie fast die gesamte LP - fair enough. "Twins" hätte ebenfalls ein Albumtrack sein können, ein wenig uninspiriert, aber: geschenkt, wenn man so verschossen ist. "Falling Over" war dann ein ziemlich klarer Bruch mit dem krachigen Frühwerk und leitete den geneigten Hörer in Gefilde sehr englischen, sehr luftigen Pops, man denke an St. Etienne, die das Titelstück auch remixten, und New Order. Verstörend, aber toll.


Leider habe ich mir die falsche Version der Single bestellt - eine vielleicht gerechte Strafe dafür, nicht den Einzelhandel unterstützt zu haben. Denn leider ist die A-Seite nicht besonders spannend, versucht es mit Pop, klingt dann aber doch am ehesten Nach Smiths ohne Größenwahnsinn und auf Ecstasy, nur Kip, der Sänger, klingt eher nach Valium. Und an die B-Seite erinnere ich mich noch nicht einmal mehr.

Leider sollte dies die Richtung vorgeben, in der es in Zukunft weitergehen sollte, wie mir scheint. Immer mehr geht die Produktion in Richtung Mainstream; die Lieder klingen zumeist, als arbeiteten sie auf eine interessante Stelle hin, aber die kommt fast nie. Bei den Videos ist eine analoge Bewegung zu beobachten. Dafür sind sie technisch hochwertig, juchee. Super, wenn Bands sich der Mittel des Mainstream bedienen, Scritti Politti waren genau dann am besten, als sie dies taten. Und die Indie-Szene als exklusiven Zirkel zu betrachten, ist ja auch ekelhaft - leider trotzdem keine seltene Tendenz. Zumindest in diese Falle tappen die Pains nicht. Das neue Album wird produziert von Flood und Alan Moulder, die auch schon zweifelhafte Kapellen wie U2 und Smashing Pumpkins klanglich designt haben. Die Angst vor dem eigenen Wagnis ist also begründet, aber Wagnisse sind ja auch grundsätzlich erst einmal etwas Feines. Und Kip Berman kann sogar entwarnen: “We didn’t want him [Flood] to make us sound like a ‘big’ rock band. We didn’t want to iron out all of our rough edges. In the end, he was really into the ways in which we are bad at playing music and he kind of celebrated it. He wasn’t trying to make us U2. He just wanted to make us become a better version of ourselves — to get to the heart of what makes us good as a band. That was the coolest thing.” (Quelle: progress report auf Stereogum)

Doch ist diese Entwarnung tatsächlich berechtigt? Der Sound orientiert tatsächlich stark am Mainstream, doch unglücklicherweise an seiner schlimmsten Ausprägung: der vollkommenen Langeweile. Am Weg des geringsten Widerstandes. Nichts Interessantes passiert mehr. Hätte man doch Gary Olson verpflichtet - der holt selbst aus den öden Crystal Stilts durch seine exzellente Produktion okaye Ergebnisse heraus - auch wenn die Songs so spannungsarm sind wie die neuen Werke der Pains.

Man will es offenbar wissen. Mit allen Mitteln. Ich übe mich hier ja schon in Zurückhaltung, aber auch wenn die Indiecrowd jedes Lebenszeichen der Band abfeiert, finde ich die letzten Videos einfach nur widerwärtig. "Higher Than The Stars" ist ein Song, nein, hey, Moment, eigentlich nicht. Das ist ja das Problem. Und vorhersehbare Ingredienzen prägen das bewegte Bild: ein Kind, Stofftiere, eine gutgekleidete blonde Hauptdarstellerin und des Sängers selbstironiefreier Schönlingsblick in die Kamera. Da doch bitte lieber "Blue Steel" von Ben Stiller. Ben Stiller spielt immerhin in witzigen Filmen mit. Bei den Pains hingegen wirkt das alles seltsam freudlos: die Klischees werden bedient, es bleiben aber bloße Signale bar jedweder künstlerischer Funktion. Es ähnelt deutscher Comedy: das Publikum reagiert auf das Lachsignal im Tonfall oder der Mimik des Comedians - auch wenn es gar keinen Witz mehr gibt. Postmoderne Comedy, Respekt. Aber schön ist das nicht - doch vielleicht werden die Pains ja durch diese Ansprache von Schlüsselreizen weltberühmt.


Während in diesem Video nun Kip als Schönling gefeaturet wird, ist es nun im Video zum noch schwächeren Song "Say No To Love" an Peggy, in genderpolitisch fragwürdiger Weise das "cute indie girl" zu mimen. Ich fasse das jetzt gar nicht zusammen, das wird ja doch nur häßlich. Nur soviel: es geht natürlich schief. Und wirkt auch noch wie widerwillig gespielt. Wer möchte, sehe sich das Video an.

Warum mache ich das eigentlich alles? Warum ignoriere es nicht einfach, wenn mir eine Band nicht mehr gefällt? Weil ich die Welt nicht mehr verstehe. Weil ich nicht begreife, wie alles, was diese Band von sich gibt, ausschließlich gefeiert wird, sei es noch so langweilig. Weil Musikblogs kein erweitertes Werbungs- und Suchmaschinenoptimierungsmedium sein sollten. Und weil ich die Band gerne wieder mögen möchte. Anlaß zur Hoffnung gibt "The One". Das ist zwar desaströs produziert, doch endlich blitzt wieder so etwas wie ein Song auf.


Auf dieses Lied bin ich durchs Klienicum gestoßen. Eigentlich wollte ich dort bloß einen Kommentar hinterlassen - doch ich wußte schnell, es würde mehr.

2 Kommentare:

  1. nun muß ich mich nicht als suchoptimierer verstehen. für eine eigendefintion reicht mein selbstverständnis. und dass auch "heart in your heartbreak" kein schlechter song ist, dabei bleib ich auch abseits meiner üblichen pfade. wie er sich im oeuvre der band schlägt, bleibt abzuwarten. deine klage allerdings hat einen deftige schicht selbstmitleid abgekriegt. so ist es halt mit lieblingsband, auch sie unterliegen gesetzmäßigkeiten. ähm halt, meine nicht, die heißt yo la tengo.

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  2. Das Selbstmitleid wollte ich ja möglichst kaschieren ;-) Aber natürlich: ich finde es mehr als schade, wenn eine heißgeliebte Band auf einmal meinen ästhetischen Idealen zuwiderhandelt. Mögen sie es tun, mögen sie damit glücklioh werden - das wünscht man Geliebten, wenn man sich ohne Haß auseinandergelebt hat, und vielleicht habe ich den Ansatz der Band von Anfang an falsch verstanden. Vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht, und ich weiß Deinen Geschmack durchaus und überaus zu schätzen & werde immer wieder auf ihn vertrauen. Wer nicht meiner Meinung ist, sei mitnichten automatisch der Suchmaschinenoptimiererei bezichtigt und ich bitte um Verzeihung, falls das so klang. Die Pains langweilen mich einfach momentan sehr, und das tut weh, da ich sie vor ein paar Monaten noch sehr liebte.

    Die Pains sind mitnichten meine Lieblingsband - das sind Orange Juice - aber klar, ich finde es persönlich zu schade, zumal ich (nicht mehr beweisbar) der wohl erste war, der hierzulande von der Band schrieb. Und sie sofort liebte. Ich bin selber gespannt auf das Album und hoffe auf das Beste! Ausverkauf ist für mich kein Argument - den mach ich mit ;-)

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