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Mittwoch, 18. Mai 2011

Grass Widow: 7“ + Tour

San Franciscos famose Grass Widow (Kill Rock Stars) kommen endlich nach Europa. Auf dem Weg hierher holen sie noch ihre neue Single “Milo Minute“ ab; ich kann Ihnen sagen, das wird fabelhaft!

Die feine FSK-Sendung No Fish On Friday und die Honeyheads sind außer sich vor Freude, am 8. Juni die Hamburger Etappe der Tour im Goldenen Salon zu präsentieren. Gemeinsam mit Tape Life, bei denen ja auch Jonas von den vorzüglichen Sleeping Policemen spielt. Es wird ein Fest, das kann gar nicht anders sein! Die hönigliche Martina hat eigenhändig einen Flyer gebraten, sehen Sie sich das Prachtstück an:

 (Flyer by e_mol)

Grass Widow sind nach wie vor zu dritt, alle singen, die Instrumente auf Aufputschmitteln, die Vocals auf Downern, die Texte der Art, wie man sie auf dem Beiblatt mitlesen möchte, während man die Hausaufgaben bis zum nächsten Morgen in der Bahn prokrastiniert. Weil man sich diese fremde Poetik erschließen möchte. Muss. Die Musik und die Welt um sie herum, mit der man sich vollkommen zurecht das Halbjahreszeugnis verhagelt, klingt so:


Grass Widow - Fried Egg by killrockstars

Apropos Welt um diese Musik: wo wir es schon mit einer Kill-Rock-Stars-Band zu tun haben, sei an dieser Stelle Tobi Vail von Bikini Kill zum Thema Grass Widow zitiert: “Grass Widow are like the Raincoats or The Minutemen or even The Melvins in method, meaning they create their own formalistic, aesthetic universe with its own internal logic. They don’t sound like they are following anyone’s rules at all.”

 Und es sei, Welt-um-diese-Musik-die-Zwote, ein wunderbares Buch ans hungrige Herz gelegt, nämlich “Girls To The Front“ von Sara Marcus über Pop, Feminismus und DIY. Am Beispiele von Bikini Kill, Bratmobile und anderen. Homebase: Riot Grrrl, deren erstes Treffen von Bikini-Kill-Protagonistin Kathleen Hanna initiiert wurde. Womit wir also wieder bei Fanzines und Selbstmacherei angelangt wären. Bei Netzwerken, die nicht Seilschaften oder zwanghafte Selbsbereicherungsvehikel sind. Die das Wissen um die Produktionsmittel von der blöden Aura der elitären Geheimwissenschaft befreien. Die demonstrieren, dass alle ein Recht haben, hier zu sein und sich zu äußern. Dass vermeintliche Schwächen kein Makel sind. Die einem verraten, wie man eine Platte macht.

Grass Widow haben sich darauf verlassen, dass es irgendwie geht. Eine Handvoll Konzerte und Flüge gebucht und dann auf ihrer Seite gepostet, dass man noch an diesem und jenem Daten in dieser und jener Stadt suche. Manchmal muss man einfach fragen. Und unbedingt einfach machen.

Und anderen zeigen, dass es geht. Siehe hierzu auch dieses feine Interview mit den Damen, in dem man auch mehr zur Sprache der Texte, Gender&Musik und zum Spiegelei erfährt:


Grass Widow interview at Upset The Rhythm by ruthbarnes

Montag, 1. November 2010

Fieber: gelb oder anders - fünf glühende Menschen, zwei Bands

(Photo: Mark Monnone)

Fast den gesamten Oktober hatte ich nun keine Zeit. Alle Zeit der Welt also, Musik zu hören. Und es sind mir haufenweise schöne Platten begegnet, in dieser Zeit außerhalb der Zeit. So viele, daß ich am rechten Rande eine kleine Liste mit Links zu Hörenswertem plaziert habe, um meinem Drang, meine Begeisterungen mit der Welt zu teilen, ein Ventil bereitzustellen. Ganz oben standen dort bis eben YellowFever, deren wunderbare Platte mir der immer wieder für eine Überraschung gute Genosse Zufall in die Hände gespielt hat.

Marky, Betreiber von The Lost And Lonesome Recording Co. hatte die CD im Gepäck, als er in seiner Funktion als Bassist der fabelhaften Still Flyin' in Hamburg zu Gast war (die ich ja an anderer Stelle bereits ausgiebig gefeaturet und interviewt habe). Im Gegensatz zu Europa hat die Platte des androgynen Duos aus Austin/Texas nämlich in Australien und Amerika Labels gefunden (Lost And Lonesome, respektive Wild World). Ihrer mangelnden Präsenz im hiesigen Netz aus Längen- und Breitengraden kann man nur mit Unverständnis entgegentreten, so man denn vor lauter über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen und Füßen denn noch dazu im Stande ist.


Der Sound YellowFevers erinnerte mich sofort an etwas. Nur: was? Die Assoziation ist nach wie vor zu verschleiert, als daß ich sie zu fassen bekäme. Vorschläge sind herzlich willkommen! Ich dachte zuerst an Kill Rock Stars, das wunderbare Label mit Bands wie Bikini Kill, Huggy Bear, Sleater-Kinney und Erase Errata. Doch ich habe mir alles Erdenkliche aus dem Umfeld noch einmal angehört, und niemand kam so richtig als Soundalike in Frage. Die Verweise, die allerorten aus dem Labelinfo abgeschrieben werden - Young Marble Giants und Stereolab - wollte ich zunächst mit einer lässigen Geste als Referenzpunkte disqualifizieren, doch in der Verzweiflung des Mangels besserer Vergleiche finde ich diese beiden Bands als Eckdaten immer attraktiver, wenn auch nicht ausreichend. Wahrscheinlich sind YellowFever irre Wissenschaftler, die aus dem Erbgut beider Bands eine Killrockstarsband gebastelt haben. Mit den jungen Marmorriesen haben sie in jedem Falle den Hang zur radikalen Destruktion gemein; die Grundausstattung von Schlagzeug, Baß und Stimme wird manchmal um eine Gitarre oder Orgel ergänzt. Die Lieder klingen kühl, aufregend und unaufgeregt: Die Garage ist in das Labor zweier freundlicher, witziger junger Wissenschaftler verlegt worden, die Tee aus dem Erlenmeyerkolben mit Milch und Zucker kredenzen. Und dabei Dinge erzählen wie "The cutest boy I ever saw / Was sipping cider through a straw" oder "My brother and I went to a show / And we saw everyone we know". Und feststellen, daß mit diesen beiden Aussagen ja bereits die textliche Ebene für die neueste Erfindung erschaffen wäre.


Grass Widow



Tatsächlich bei Kill Rock Stars sind Grass Widow, auf die ich bei meiner Suche nach Referenzen für YellowFever gestoßen bin. Das Trio aus San Francisco könnte hervorragend mit YellowFever auf Tour gehen, doch leider mußte ich feststellen, daß die Damen erst jüngst in Europa waren. Ohne YellowFever. Musikalisch sind sie zweifelsohne nervöser als das Duo aus Texas, ein meist unverzerrter, leicht hektischer Postpunksound baut sich vor den Lautsprechern auf, dessen Hektik durch den mehrstimmigen Gesang aufgefangen wird, in dem seltsame Texte dargeboten werden; die Instrumente auf Uppern, die Stimmen auf Downern. Und was diese Stimmen singen, wünscht man sich, als Teenager im Booklet mitzulesen, irritiert zu werden, einen anderen Zugang zu Sprache, Musik und Welt zu finden. Und zur Welt der Musik und ihrer Sprache. Denn zu finden gibt es etwas, in aller erfreulichen Uneindeutigkeit dringlich und entschlossen taumelnd.